In Gedenken an Emil Hegetschweiler

Er war nicht nur einer der Pioniere in der Schweizer Westernreitszene, er war auch ein kreativer Kopf und ein interessanter Zeitgenosse. Zusammen mit seiner Frau Susy schuf er im Reusstal einen unvergleichlichen Ort der Begegnung für Menschen und Pferde.

Gegen Ende der Sechzigerjahre konnten Emil und Suzanne Hegetschweiler den Heftihof im kleinen Weiler Werd, der zur Gemeinde Rotterswil im Kanton Aargau gehört, pachten und wenig später kaufen. Man könnte nun sagen, der Rest ist Geschichte, das wäre doch etwas zu einfach. Was in den nächsten über drei Jahrzehnten alles auf dem altehrwürdigen Heftihof, der aus dem 18. Jahrhundert stammt, lief, ist einmalig. Die Liebe zu Ihren Islandpferden brachte das Paar aus Zürich Albisrieden auf die Idee, ihren Hof Wikinger Ranch zu taufen. Sie entdeckten die Westernreiterei und bald mussten die Islandpferde, ihre Besitzer und den Stall mit Appaloosas und Quarter Horses teilen. Bereits Anfang der Siebziger fanden die ersten Westernturniere auf der Wikinger Ranch statt.

1978 gründete Emil, zusammen mit 100 weiteren Interessierten, die Swiss Western Riding Association und amtete von 1982 bis 1994 als deren Präsident. Die Wikinger Ranch hat sich unterdessen als Reitschulbetrieb etabliert. Während Susy auf der Ranch das Geschäft leitete, arbeitete Emil, ursprünglich gelernter Schriftsetzer, bis zu seiner Frühpensionierung im Alter von 58 Jahren als Lithograf. Aus seiner Hand stammte auch das erste Logo der SWRA. Die voranschreitende «Vercomputerisierung» des Berufs machte ihm zu schaffen und der Ausstieg kam zum richtigen Zeitpunkt. Zu Hause auf der Wikinger Ranch gab es genügend Aufgaben für Emil. Einmal im Jahr fand ein Turnier statt, dessen Ausmass jeweils die Dimensionen eines Volksfestes annehmen konnte. Unglaublich viele Freunde des Westernreitens, zeitweise bis 3000 Menschen, bevölkerten die Wikinger Ranch. Etliche Schweizermeisterschaften im Westernreiten wurden auf der Wikinger Ranch durchgeführt. Der vielseitig begabte Emil war anfangs auch schon mal Richter und er übernahm den Job als Speaker. Das Bild mit Emil auf dem Speaker-Balkon über Stall und Sattelkammer hat sich wohl vielen eingeprägt. Nicht nur auf der Ranch amtete er als Richter, auch als EWU- Richter und Brevetrichter wurde er gerne engagiert.

Das Paar organisierte aber auch viele andere Feste und Events. Ein Projekt war das «Little Barn Theater». Im Tenn wurde eine Bühne eingerichtet und es fanden regelmässig Theaterinszenierungen statt, aber auch Kostümfeste und Events mit Musik. Sogar ein Film wurde gedreht – ein Western am Ufer der Reuss.

 

Emil in «pink»
Doch wer denkt, dass es für Emil nur Westernfeeling und die Westernreiterei gab, der macht sich ein falsches Bild. Wer ihn schon in seiner privaten Wohnung besuchen konnte, realisierte vielleicht, dass von Western, Cowboys oder Pferden erstaunlicherweise kaum etwas zu finden war – es war eine Art Kehrseite von Emil. Der andere Emil interessierte sich für Jazzmusik, Dixieland, Kunst und Theater. Auch war er ein begeisterter «Fasnächtler». Er spielte in der zehnköpfigen Guggenmusik «Di chlii Nachtmusig» Trompete und verpasste keinen der Auftritte. «Die pink farbigen Sneakers, die er speziell für die Guggenmusik-Auftritte kaufte, trug er manchmal sogar zum Einkaufen», erzählt Monika Bomatter und schmunzelt. Sie und Joe Gisler wohnen seit 2007 auf der Ranch. Damals, ein Jahr nach dem viel zu frühen Tod von Susy Hegetschweiler, wollte Emil die Nachfolge frühzeitig regeln und die Wikinger Ranch in rechtschaffene Hände übergeben. Joe Gisler und Monika Bomatter übernahmen den Betrieb zuerst in Pacht, bis sie ihn 2014 kaufen konnten. Emil bedingte sich Kost, Logis und ein Pferd bis zu seinem Lebensende aus. Für ihn war immer klar, dass er auf der Wikinger Ranch sterben und auch beigesetzt werden wollte – bei Susy.

Fünfzehn gemeinsame Jahre
«Wir waren in gewisser Weise eine Art WG,» beschreibt Monika das Zusammenleben während der letzten fünfzehn Jahren. «Emil gehörte zur Familie – wir assen auch gemeinsam. Er führte aber trotzdem sein eigenes Leben – bis zum Schluss.» Auf der Wikinger Ranch wurde schon immer eine Willkommenskultur gepflegt. «Emil war aufgeschlossen und kommunikativ. In der grossen, urchigen Küche trafen sich am grossen Tisch zuweilen zehn bis fünfzehn Leute. Es wurde viel und laut geredet und diskutiert,» erinnert sich Monika. Vom Naturell her eher etwas zurückhaltend, mussten sich die aus der Innerschweiz stammenden Nachfolger erst an die offene und direkte Art gewöhnen. Einmal fragte Emil geradeaus: «Säged ihr eigentlich au emal öpis?», erinnert sich Monika. Natürlich brauchte es Zeit, sich als Wohngemeinschaft zu arrangieren und anfangs gab es auch einige Unstimmigkeiten, halt so das übliche bei einem Genera-tionenwechsel. Am Ende dürfen sie auf fünfzehn schöne, gemeinsame Jahre zurückschauen. Auf die Frage, wie sie Emil beschreiben würde, antwortet Monika prompt: «Kreativ, humorvoll, exakt, sehr grosszügig und gleichzeitig bescheiden. Er war durch und durch Pfadfinder und die Pfadfinderwerte – Weltoffenheit, Frieden, Toleranz, Völkerverständigung, der Schutz von Natur und Umwelt und ein Pfadfinder hält sein Wort – waren sein Credo.» Emil war aber auch zielorientiert, hartnäckig und ein wenig stur. Qualitäten, die ihn zum einen auszeichneten, auch in den Jahren als Präsident der SWRA, zum anderen in den letzten Jahren aber auch in gefährliche
Situationen brachte. So liess er sich das Radfahren nicht ausreden – «gaht ja prima» – auch als es langsam etwas wackelig wurde. Die Dachwohnung, die er seit dem Umbau in den Achtzigerjahren zuerst mit Susy und dann allein bewohnte, war nur über Treppen erreichbar. Auch wenn das Treppensteigen ihn körperlich fit hielt, wurden die Knochen älter und die Kraft liess allmählich nach. Sein wacher Geist jedoch blieb ihm bis zum Schluss erhalten.

So sehr Emil die Gegenwart von Menschen genoss und eine gute Unterhaltung liebte, schätzte er es in den letzten Jahren auch, wenn er sich zurückziehen konnte. «Er sass gerne auf einem «Bänkli» und genoss die Stille». Im Sommer 2022 organisierte er sein letztes Fest und lud Menschen ein, die ihm wichtig waren. «Er kommunizierte auch, dass es das letzte Mal sein werde, was niemand so recht glauben wollte.» Im Herbst darauf, am 29. November 2022, starb Emil Hegetschweiler im Alter von 86 Jahren. Als ob er eine Vorahnung hatte, traf er einige Vorkehrungen. So auch sein Wille, dass nach seinem Ableben nur die engsten Freunde benachrichtigt werden sollen. Dieser Wille respektierten Monika Bomatter und Joe Gisler. Natürlich auch seinen Wunsch, neben Susy beigesetzt zu werden. Und so brennt heute eine Kerze am Wegkreuz – das gleichzeitig Grabstätte ist – vor dem Tor zur Wikinger Ranch. Ans Kreuz gelehnt ein Bild mit Susy und Emil Hegetschweiler, in Gedenken an die Gründer dieses wunderbaren Ortes.

Hier geht es zum Nachruf, publiziert von der SWRA, mit Stimmen einiger seiner Weggefährten und Freunden.

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