Dale Myler Bitseminar in Wohlen

Sabine Pfizenmaier, Organisator Rainer Schmid und Dale Myler

 

Dale Myler Bitseminar in Wohlen: Warum die richtige Wahl des Bits der Schlüssel zu einer guten Kommunikation und somit zum Erfolg ist. Was passiert eigentlich wenn wir unserem Pferd ein Bit ins Maul legen?

Myler Bits, wer kennt sie nicht. Die Gebrüder Myler sind eine der erfolgreichsten Bitdesigner aus den USA. Einer von ihnen, Dale Myler, kam für ein Seminar in die Schweiz. Er erzählte am Ostersonntag rund 55 Seminarteilnehmern etwas über die Philosophie von Myler Bits und über die jahrelange Erfahrung die dahinter steht. Einiges davon war den Zuhörern bekannt, anderes warf Fragen auf und manches waren neue, interessante Informationen.

Zu Beginn stand Dale Myler vor versammelter Mannschaft und hielt eine etwas sehr dicke Wassertrense in der Hand. «Das hier», sagte er, «war der Grund, warum wir damals anfingen eigene Bits zu entwerfen.» Der allseits bekannte Ausdruck Nussknackereffekt bekam anschliessend eine ganz andere Dimension. Wer glaubt, dass die komplett zusammenklappbare Wassertrense, die in gewissen Kreisen nach wie vor das Prädikat «weich» hat, bei Zug auf den Gaumen drückt, der irrt. Ein sehr interessantes Röntgenbild zeigte uns genau das Gegenteil. Es klappt zusammen und drückt anschliessend schmerzhaft nach unten auf die Zunge. Die Zunge, so lernten wir in der Folge des Seminars, ist nicht nur ein empfindliches Organ, sondern ein entscheidender Faktor für die richtige Bit-Wahl. Dabei wurde gleich vorweggenommen, dass man Bits nicht primär in die Kategorie «scharf» oder «weich» einteilen sollte, sondern immer der Einsatz und die Hand es schlussendlich führt relevant sind. In erster Linie muss es dem Pferd wohl sein mit der Wahl des Bits. Ob dies so ist, weiss es offensichtlich aber auch weniger direkt auszudrücken. Offensichtliche Zeichen können sein: Kopf verwerfen, Kopfschütteln oder sich Aufrollen. Ständiges Kauen, Zunge seitlich herausdrücken, die Zunge nach oben ziehen oder Versuche, die Zunge über das Bit zu legen, fallen einem oft als Reiter lange nicht auf. Diese Pferde laufen nicht so entspannt wie sie sollten und dies hat einen Grund. Die Zunge hat eine sehr wichtige Funktion bei uns wie auch bei den Pferden. Die Pferdezunge ist beinahe so lang wie der Pferdeschädel und ein zwischen 1–2 Kilo schweres, mit einem dichten Nervengeflecht überzogenes, empfindliches Sinnesorgan. Im Pferdemaul verbergen sich Drüsen die täglich bis zu 40 Liter Speichel produzieren (zum Vergleich, wir Menschen produzieren 0.5 bis 1.5 Liter pro Tag).

Was passiert wenn wir ein Gebiss ins Pferdemaul legen?

Wird einem Pferd ein Gebiss ins Maul gelegt bekommt es das Signal «Fressen». Zusammen mit den Bewegungen von Zunge, Kiefer und Lippen fliesst reflektorisch Speichel. Diese Reflexe werden vom parasympathischen Nervensystem gesteuert und gehören zum Bereich Verdauung. Ein Pferd kann aber nur entweder laufen oder fressen. Beides geht aus anatomischen Gründen nicht. Ist einmal der Speichelfluss angeregt, muss die produzierte Flüssigkeit abgeführt werden. Ob geatmet oder geschluckt wird entscheiden Reflexe. Solange das Maul geschlossen ist, atmet das Pferd. Öffnet es das Maul strömt Luft in die Höhle. Dies, verbunden mit Berührungen der Zunge, löst die Reflexkette «fressen und schlucken» aus. Dabei hebt sich der hintere Teil des Gaumens (weicher Gaumen). Das etwa 13 cm lange Gaumensegel schaltet im Rachen, wie eine Weiche, den Weg zur Speiseröhre frei. Gleichzeitig schliesst der Kehldeckel die Luftröhre. Wird das Pferd nun in eine versammelte Haltung gebracht, ist es ihm nicht nur unmöglich den produzierten Speichel zu schlucken, es wird sogar in der Atmung eingeschränkt. In der Folge wird das Hirn weniger durchblutet, was zu Leistungsabfall führt.

Weshalb wirkt sich mangelnde Zungenfreiheit auf die Schrittlänge aus?

Es ist allgemein bekannt, dass das Lecken beim Pferd ein Zeichen für Entspannung ist.

Im Gegensatz dazu ziehen Pferde ihre Zunge zusammen wenn sie gestresst sind. Ursache dafür sind meist Schmerzen, verursacht zum Beispiel durch Zahnprobleme, ein unpassendes Gebiss, ein zu eng sitzender Nasenriemen oder auch ein unpassender Sattel. Der Musculus omohyoideus (Schulter-Zungenbein-Muskel) setzt am einen Ende des Zungenbeins an und am anderen Ende an der Pferdeschulter. Wenn dieser Muskel nun zusammengezogen wird um die Zunge zurückzuziehen, wirkt sich dies auch auf die Pferdeschulter aus und somit auf die freie Vorwärtsbewegung. Diese wird blockiert und die Schrittlänge somit reduziert.

Wenn im Gegensatz dazu das Pferd die Zunge schmerzfrei bewegen kann, wird der Musculus omohyoideus nicht zusammengezogen und das Pferd ist in der Lage, raumgreifende Schritte zu machen.

Wie bei uns Menschen auch ist bei den Pferden keine Zunge gleich. Die eine ist dünner, die andere dicker und fleischiger. Kommt nun ein Bit im Maul dazu, benötigt dieses auch seinen Platz. Damit die genannten Reflexe zur übermässigen Speichelproduktion nicht ausgelöst werden ist es von Vorteil, die Zunge möglichst wenig zu belasten. Gebisse mit einer entsprechenden Zungenfreiheit helfen dem Pferd, indem sie die Speichelproduktion in einem normalen Rahmen halten, das Pferd seine Zunge frei bewegen kann und somit die Schluckreflexe nicht behindern. Myler Bits haben, unter Berücksichtigung dieser und anderer anatomischen Aspekte, entsprechende Bits entwickelt.

Natürlich braucht es vor einer Bitwahl auch immer die Gewähr, dass das Pferdegebiss, sprich die Zähne in Ordnung sind. Besonders junge Pferde durchlaufen eine lange Zeit ständiger Veränderungen. Diese sollten in regelmässigen Abständen durch einen Pferdezahnarzt kontrolliert und falls nötig behandelt werden, in besonderen Fällen kann das bis zu dreimal pro Jahr notwendig sein. Ältere Pferde sollten mindestens einmal jährlich den Zahnarzt anlächeln. Natürlich ist das immer von der Haltung, sprich Fütterung und der Zahnstellung von jedem Pferd, abhängig.

Manchmal sieht es toll aus, aber es geht tatsächlich noch besser 

Wie sich am Nachmittag des Seminars herausstellte, gibt es auch bei scheinbar gut funktionierenden Bits noch Verbesserungspotential. Einige Kursteilnehmer brachten ihre Pferde mit. Unter fachmännischem Blick und einiger Hintergrundinformationen zu Ausbildungsstand, Einsatz des Pferdes und seinem Temperament, schlug Dale Myler jeweils eines seiner Bits vor. Fast alle Pferde liefen aus Sicht der Zuschauer entspannter, auch wenn nicht alle deren Besitzer bzw. Reiter einen grossen Unterschied feststellen konnten.

Zusammengefasst muss bei der Wahl des Bits das Wohlbefinden des Pferdes im Vordergrund stehen. Unter Berücksichtigung der individuellen anatomischen Gegebenheiten jedes einzelnen Pferdes und dessen Ausbildungsstand und Temperament, sollte man sich als Reiter vorsichtig und mit Bedacht an die Bitwahl herantasten. Vorausgesetzt die anderen Aspekte, wie gesunde Zähne und einen passenden Sattel stimmen, ist die richtige Bitwahl entscheidend für das Wohlbefinden des Pferdes. Somit sind die Grundlagen für eine gute Kommunikation zwischen dem Reiter und seinem Pferd gegeben. Dass eine feine Reiterhand Ehrensache ist, muss hier nicht vorweggenommen werden. Hier muss jeder an sich selber Arbeiten und sich immer wieder bewusst sein, wie empfindlich ein Pferdemaul ist.

Ein herzliches Dankeschön an Rainer Schmid von Horsestore.ch für die tolle Organisation, Sabine Pfizenmaier fürs Dolmetschen und natürlich Dale Myler für das aufschlussreiche und tolle Seminar.

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