Akute Hufrehe der Supergau

Besuch der Station für hufkranke Pferde
Akute Hufrehe der Supergau eines jeden Pferdes und immer ein Notfall

Akute Hufrehe (Laminitis) ist eine Entzündung der Huflederhaut wobei sich die Hufkapsel von der Lederhaut löst. Infolge einer Störung der Mikrozirkulation in der Blutzufuhr im Bereich der Huflederhaut, wird deren Struktur derart geschwächt, dass das Hufbein seinen Halt innerhalb der Hornkapsel verlieren kann. Das Hufbein rotiert nach unten (Hufbeinabsenkung/Hufbeinrotaion). Akute Hufrehe ist äusserst schmerzhaft, die betroffenen Pferde können kaum stehen und schon gar nicht gehen. Die Medizin unterscheidet unter Fütterungsrehe, Belastungsrehe, Geburtsrehe, Vergiftungsrehe (Blutvergiftung, Zeckenbiss, Zuckerüberschuss) oder einer Medikamentenrehe. Die Ursachen und Auslöser sind vielschichtig und reichen von einer zu grossen Menge an frischem, nährstoffreichen Gras, Verabreichung grosser Mengen Kraftfutter und Brot (Plünderung der Futterkammer durch das Pferd), Nichtabgehen der Nachgeburt bei Stuten, Komplikationen nach einer Kolik, Beschlagfehler, Verdauungsprobleme infolge Stress, Stoffwechselerkrankungen, bis zum Tränken erhitzter Pferde mit grossen Mengen eiskalten Wassers.

Entgegen der früheren Meinung, dass Eiweiss eine Hufrehe auslöst, weiss man heute, dass bestimmte Kohlenhydrate (Zucker, Stärke, Fruktan) dafür verantwortlich sind. «Immer im Spätherbst und im Frühling ist Hufrehe-Zeit. Da haben wir die meisten Notfälle,» sagt Linda Bönzli vom Barhufteam. Linda, Eva und Ruedi Bönzli betreiben in Bösingen eine Station für hufkranke Pferde. In Spitzenzeiten betreuen sie bis zu sechzig Hufpatienten und helfen ihnen buchstäblich wieder auf die Beine.

Sie sind die Pioniere der Kryotherapie in der Schweiz und sind für viele, an Hufrehe erkrankten Pferde und Ponies, die letzte Rettung.

«Eine Hufrehe muss heutzutage nicht mehr das Todesurteil bedeuten. Durch den Einsatz von Kryotherapie ist die schnellste, effektivste und nachhaltigste Rehabilitation bei Hufrehe gegeben.»

Das wichtigste bei einer akuten Hufrehe: kühlen, kühlen, kühlen…

«Das erste was wir tun, wenn wir ein akuter Huftrehe-Patient bei uns eintrifft, ist, kühlen und noch einmal kühlen. Eiskaltes Wasser ist aber nicht kalt genug. Wir haben die besten Erfahrungen mit Eiswürfeln gefüllten Socken gemacht. Ungefähr eine Stunde dauert es, bis man das Eis auswechseln muss und das rund um die Uhr, während maximal drei bis vier Tagen. Meine Schwester Eva und ich wechseln uns jeweils in der Betreuung ab. Da der normale Betrieb weiterlaufen muss, ist das schon eine hohe Belastung. Erfahrungsgemäss kann man nach drei Tagen das erste Mal aufatmen.»

Kryotherapie ist die Anwendung von Kälte zur Behandlung von Beschwerden. Die Professoren van Eps und Pollitt von der University of Queensland/Australien, können, nach einer Studie über Hufrehe beim Pferd, die Kryotherapie als wirksames Mittel zur Linderung der Krankheit empfehlen.

«Vor nicht allzu langer Zeit war es gang und gäbe, Pferdehufe im Akutstadium dick einzubinden oder sogar einzugipsen. Eine für ein Pferd in einer akuten Hufrehephase fatale Massnahme mit zum Teil verheerenden Folgen. Die Hitze in den Hufen muss unter allen Umständen sofort abgeführt werden. Die Rotation eines Hufbeines kann unmöglich gestoppt werden, solange sich das Tier in einer Entzündung befindet. Genau darum ist das Stoppen der Entzündung in einem Huf als das Wichtigste aller Ziele anzusehen», so Ruedi Bönzli.

Ein Umdenken in der Behandlungsmethode von akuter Hufrehe beginnt 

«Wir konnten im Auftrag einer Pferdebesitzerin ein Shetlandpony aus dem Tierspital Zürich zu uns auf die Station für hufkranke Pferde in Bösingen/FR transportieren. Mit der Übernahme des Pferdes wurde uns auch ein entsprechender Arztbericht ausgehändigt. Daraus war zu entnehmen, dass das Shetlandpony eine Kolik und Fieber aufgrund einer bestehenden Dickdarmentzündung gemacht hat. Die diagnostizierte Dickdarmentzündung wurde in der Folge erfolgreich behandelt, jedoch entwickelte das Pferd aufgrund der Darmerkrankung einen leichten, akuten Hufreheschub. Was wir nicht für möglich gehalten haben – die akute Hufrehe des Shetlandponies wurde im Tierspital Zürich mittels Kryotherapie behandelt. Eine grossartige Intervention der entsprechenden Tierärzte.»

Wie läuft die Behandlung eines akuten Hufreheschubs ab 

Linda, Eva und Ruedi Bänzli vom Barhuf-Team beschäftigen sich seit Jahren mit hufkranken Pferden und haben sich auf die Rehabilitation von akuten- und chronischen Hufrehepferden spezialisiert. WESTERNER hat nachgefragt wie eine Behandlung konkret abläuft.

«Wir haben vor Jahren festgestellt, dass akute Hufrehepferde innerhalb kürzester Zeit (im Normalfalle 3 bis 4 Tage) aus dem Entzündungsschub herausgeführt werden können. Wichtig dabei ist es, dass die Kryotherapie während der gesamten Zeitspanne stur und konsequent (Tag und Nacht) aufrechterhalten werden muss. Es darf unter keinen Umständen wieder zu einer Hitzebildung in den Hufen kommen – sprich die Entzündung zurückkehren. Während dieser ganzen Zeitspanne muss regelmässig der Puls in der Fesselbeuge kontrolliert werden. Solange eine pochende Pulsation zu verspüren ist, ist die «Eisung» der Hufe weiterzuführen. Es versteht sich von selbst, dass während der gesamten Akutphase eine genau abgestimmte Medikation mit Entzündungshemmern/Schmerzmitteln für die Rehabilitation des Pferdes erforderlich, und auch selbstverständlich sein sollte. Im Hinblick auf ein eventuelles Nierenversagen des Pferdes muss diese Zeitspanne jedoch so kurz wie möglich gehalten werden.»

«Unter Umständen ist es sinnvoll, ein an schwerer Hufrehe erkranktes Pferd – beispielsweise bereits mit einem Hufbeindurchbruch – mit einem Tierbergungs- und Transportnetz während dem Akutstadium zu unterstützen. Unter keinen Umständen darf ein Pferd über mehrere Stunden oder sogar Tage auf dem Boden liegen gelassen werden. Es ist erstaunlich, wie gelassen die Pferde auf das Unterstützungsnetz reagieren und wie oft die Pferde sich ins Netz legen, um durch diese Massnahme ihre äusserst schmerzhaften Hufe zu entlasten. Dabei wird das Pferd nicht aufgehängt, sondern das TBTN ganz locker angezogen. Dies gibt dem Pferd die Möglichkeit sich in der Boxe frei zu bewegen. Durch dieses Vorgehen werden Kreislaufprobleme und Schwierigkeiten mit dem Verdauungsapparat vermieden und schwer heilende Liegewunden verhindert. Es ist zudem absolut legitim, wenn sich ein Pferd in diesem Stadium hinlegen will.»

«Sobald die Pulsation in der Fesselbeuge nur noch schwach zu verspüren ist, ist die akute Hufrehephase fast überstanden. Zwar sind die Bewegungen noch vorsichtig und unbeholfen – aber das Pferd bewegt sich wieder. Nun beginnt die wichtige Prozedur des Absetzens der Schmerzmittel resp. Entzündungshemmer. Dabei ist darauf zu achten, dass die Medikamente nicht zu schnell abgesetzt werden. Während der Absetzphase ist das Pferd genau zu beobachten! Unter Umständen müssen auch die Medikamente gewechselt werden, wenn das Pferd entsprechende Anzeichen von Problemen macht. Hier ist die Zusammenarbeit mit dem Tierarzt unabdingbar. Während dieser ganzen Zeit ist die Temperatur der Hufe sowie die Pulsation in der Fesselbeuge in regelmässigen Abständen (auch in der Nacht) zu kontrollieren.»

«Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass 80% aller akuten Hufrehepferde während der Absetzphase der Medikamente in einen erneuten Hufreheschub zurückkehren. Ein solcher Rückfall stellt demzufolge fast den Normalfall dar und darf nicht als den „Weltuntergang“ angesehen werden. Unter keinen Umständen sollte jetzt die Flinte in Korn geworfen – sprich das Pferd euthanasiert werden. Tritt diese Situation ein, ist nochmals mit den Medikamenten hochzufahren und die Eisung der Hufe unverzüglich wieder aufzunehmen. Auch hier haben wir die Erfahrung gemacht, dass der Rückfall in eine erneute, akute Hufrehe bei sofortiger Intervention in der Regel innerhalb von 1 bis 2 Tagen gestoppt werden kann. Wir haben es über die ganzen Jahre noch nie erlebt, dass ein Pferd ein zweites Mal rückfällig wurde.»

«Es ist ferner zu beachten, dass jeder akute Hufrehefall als Notfall angesehen werden muss. Hier ist Gefahr im Verzug und es muss sofort gehandelt werden. Solange sich ein Pferd in einer akuten Hufrehephase befindet – solange rotiert das Hufbein und die Schäden werden immer gravierender, je länger zugewartet wird.

Und zuletzt noch dies: Ein Pferd hat Hufrehe oder nicht. Der oft gehörte Ausdruck «ein bisschen Hufrehe» gibt es nicht.

Erfahrungsberichte und Informationen über das Thema Hufrehe finden sie unter:
www.station-für-hufkranke-pferde.ch oder www.barhufteam.ch

Dieser Artikel erscheint im April WESTERNER 2017

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