«Pferdepension» und die Herausforderungen

Pferde sind keine Kühe – Das erfolgreiche Geschäftsmodel «Pferdepension» und die damit verbundenen Herausforderungen

Der Bestand von Sport- und Freizeitpferden in der Schweiz steigt seit einiger Zeit jährlich um rund zwei Prozent. Seit der Revision des Raumplanungsgesetzes, setzen immer mehr Landwirtschaftsbetriebe in dicht besiedelten Gebieten zusätzlich auf die Pferdehaltung. Es ist wohl kaum ein Geheimnis, dass sich mit Pensionspferden Geld verdienen lässt, doch einfach verdientes Geld ist es mit Sicherheit nicht. Wohl einige Landwirte und Pensionsstallbetreiber haben es sich zu Beginn anders vorgestellt. Aber was genau ist das Geheimnis, erfolgreich einen Pferdepensionsstall zu führen?

Es reicht schon lange nicht mehr aus, einfach Pferdeboxen zur Verfügung zu stellen. Wer ein Pensionspferd in seine Obhut nimmt, übernimmt viel Verantwortung. Wird diese und die damit verbunden Pflichten nicht, oder nur teilweise wahrgenommen, kann es für den Einsteller sehr schnell, sehr teuer werden. Eine Unachtsamkeit, mangelnde Sicherheit oder unsachgemässe Betreuung aufgrund mangelndem Pferdewissen, können unter Umständen zu einem Desaster führen. Hohe Tierarztkosten oder Schlimmeres kann das nach sich ziehen. Kein Wunder, werden die Tiere von ihren Besitzern gehegt und gepflegt.

Ausschlaggebend ist der Faktor Mensch

Der Durchschnittspferdebesitzer in der Schweiz ist 39 Jahre alt, weiblich und verbringt sechs Tage die Woche rund zweieinhalb Stunden im Stall. Bei Vollerwerbstätigkeit bedeutet dies, dass fast die gesamte Freizeit dem Partner Pferd gewidmet wird. Nicht nur die Freizeit, sondern auch einen beachtlichen Teil des Einkommens wird für das geliebte Hobby ausgegeben. Nicht selten bringt das die Pferdebesitzer an ihre finanzielle Grenze, denn ein Pferd zu besitzen ist schon lange nicht mehr Freizeitbeschäftigung und Prestigeobjekt wohlhabender Bürger.

Wir werden in unserem Berufsleben angehalten lebenslänglich zu lernen. Diesem Trend entsprechend findet man auch immer mehr Fortbildungsmöglichkeiten und ein breites Informations- und Kursangebot im Beruf- und Freizeitbereich. Während man früher die Pferdehaltung den Profis, sprich Pensionsstallbetreibern überliess und ihnen in allen Belangen das Vertrauen entgegenbrachte, informiert sich heute jeder Pferdehalter eingehend über Haltung, Fütterung und medizinische Fragen. Der Handel mit Spezialfutter, Futterzusätzen, Pülverchen und Ölen boomt. Jeder wird zum «Spezialisten». Wollen sie sich ein Bild davon machen? Dann besuchen sie die Internetforen.

Vor diesem Hintergrund als Landwirt, der sich mit Nutztieren und Landwirtschaft auskennt, einen Pensionsstall zu betreiben ist eine Herausforderung.

Wie Konflikte entstehen

Konflikte entstehen dort, wo Bedürfnisse nicht befriedigt werden. Einen Pensionsstall zu leiten ist nicht nur eine Sache des Managements, sondern fordert Führungsstärke und viel Feingefühl im Umgang mit den Menschen und ihren Pferden. Jeder Pensionsstall ist, mit seiner speziellen Zusammensetzung von Menschen und ihren Tieren, ein in sich geschlossener Kosmos. Der neue Pensionär zeigt erst mal Vertrauen mit leichter Tendenz zur Kontrolle. Laufen dann einige Dinge nicht ganz so wie er sich das vorstellt, kippt es: das Vertrauen lässt nach und der Pensionär wird recht schnell zum Kontrollfreak. Menschen die in ihrem Berufsleben den Kunden gegenüber Anstand und Professionalität wahren, können privat, besonders wenn es um ihre Haustiere geht, jede Contenance verlieren. Aber es ist nicht zu vergessen, dass beide, Stallbetreiber und Pensionär ihre Bedürfnisse haben und gegenseitige Wertschätzung erwarten. Diese zu wahren heisst miteinander Reden und Kommunizieren um aufkeimende Probleme so früh wie möglich zu lösen. Nur so bleibt die Waage im Gleichgewicht und der Stallfrieden bewahrt.

Für den einen ist es Beruf, für den anderen Hobby – diese Konstellation ist nicht ganz einfach, weil hier auch die Mentalität vorherrscht «ich bezahle, ergo will ich». Stallbetreiber sind Dienstleister und auf die Zufriedenheit ihrer Kunden, den Pensionären, angewiesen. Einmal einen negativen Ruf, ob gerechtfertigt oder nicht, kann dem Betrieb schnell schaden. Fühlt sich der Besitzer nicht wohl, wird bald umgezogen – geht es dem Pferd nicht gut, erfolgt in der Regel die gleiche Massnahme.

Was sind die Bedürfnisse der Pensionäre?

Als Pensionär steht Vertrauen zuoberst auf der Liste. Von 24 Stunden verbringen sie täglich im Schnitt zweieinhalb Stunden mit ihrem Pferd. Die restlichen 21,5 Stunden übergeben sie ihre Lieblinge in die Obhut des Stallbetreibers. Das Gefühl, während dieser Zeit sorglos dem Berufsleben nachgehen zu können und einen gesunden, tiefen Schlaf zu haben, ist elementar. Die Bedürfnisse zum Thema Sicherheit und Wohlbefinden umfassen folgende Punkte:

  • Umfassendes Pferdewissen von Seiten des Stallbetreibers.
  • Genügend Platz für die Pferde (Boxen und Auslauf, oder gut konzipierte Gruppenhaltung).
  • Weidemanagement: Dieser Punkt beinhaltet nicht nur wann und wie oft die Pferde auf die Koppel kommen, sondern wie diese auch gepflegt werden.
  • Parasitenmanagement: Wie und wie oft wird entwurmt, werden Kotproben durchgeführt?
  • Gute Raufutterqualität (Heu und Stroh).
  • Futtermanagement: Genügend Raufutter rund um die Uhr (besonders nachts), damit möglichst keine langen Fresspausen entstehen.
  • Freie Wahl der Einstreu (beispielsweise bei Stauballergikern).
  • Freie Wahl des Kurzfutters (je nach Rasse und Einsatz) und deren regelmässe Gabe (in der Regel dreimal pro Tag).
  • Sauberkeit im und um den Stall.
  • Regelmässiges Misten und das Vermeiden von Ammoniakdämpfen.
  • Zu- bzw. Abdecken in der Übergangszeit im Herbst und im Frühling.
  • Zuverlässige Verabreichung von Zusatzfuttermitteln oder bei Verletzungen, von Medikamenten.
  • Massnahmen zur Unfallverhütung. Hier nur einige Punkte: sichere Anbinde-Möglichkeiten, Gummimatten, ausbruchsichere Weidezäune, glatte Boxenwände und keine vermeidliche «Fallen» in Form von Löcher, herausragenden Holzsplitter oder gar Nägel und Schrauben.
  • Gute Stallaufsicht tagsüber und einen letzten Kontrollrundgang bei eintreten der Stallruhe.
  • Einen möglichst geregelten und ruhigen Betrieb, ohne laute Worte und ohne die Pferde anzuschreien – gutes Horsemanship eben.
  • Gutes Verhältnis und gegenseitige Toleranz unter den Pensionären.
  • Als Pensionär will man ernst genommen werden.

Die Bedürfnisse rund um Service und Infrastruktur sind unterschiedlich und machen auch das jeweilige Pensionsstallangebot aus:

  • Genügend Platz für «Saddle and tack»
  • Genügend Parkplätze
  • Hänger-Parkplätze
  • Ausreitgebiet
  • Halle, Platz, Roundpen
  • Trainingsmaterial (Stangen, Törli, Brüggli, Springständer, Pilonen, ect.)
  • Reiterstube mit Kaffeemaschine und Getränken
  • Pferdesolarium
  • Fliessend Warm- und Kaltwasser
  • Abspritzgelegenheit

Es fällt auf, dass die erste Liste einiges umfangreicher ausfällt. Kein Wunder, wenn diese Punkte fester Bestandteil der Philosophie des Stallbetreibers werden, dann stehen die Erfolgschancen auf grün. Leider werden von den zukünftigen Pensionären selten alle diese Bedürfnisse bei einem Entscheid für einen bestimmten Pensionsstall miteinbezogen. Viele lassen sich von einer tollen Infrastruktur blenden. Doch deren Pferde interessieren sich weder für Halle, Platz oder Roundpen und schon gar nicht für das «Reiterstübli» und die Kaffeemaschine.

Wie sieht es nun mit den Bedürfnissen der Stallbetreiber aus?

Kaum ein Pensionsstallbetreiber macht seine Arbeit aus purer Freude an den Pferden und an den Menschen. Auch der grösste Romantiker oder Aus- bzw. Umsteiger, kommt irgendwann auf dem Boden der Realität an. Es ist ein Erwerb und für Landwirte oft ein Erwerbszweig, der neben der Landwirtschaft betriebswirtschaftlich geführt werden muss. Was nicht selber hergestellt werden kann, muss möglichst kostengünstig eingekauft werden. Die Arbeitsabläufe müssen effizient bleiben und die Personalkosten tief. Es ist ein «7 x 24-Stunden-Job» mit viel Verantwortung und wenig Ferien und Freizeit. Zudem muss man sich damit abfinden, dass ständig Menschen auf dem Betrieb sind und einige sogar ihren Hund mitbringen. Die Liste der Bedürfnisse auf der Seite der Stallbetreiber ist bedeutend kürzer und sieht in etwa so aus:

  • Wertschätzung der täglichen Arbeit
  • Ein geregelter, effizient laufender Betrieb
  • Ein zuverlässiger Erlös aus der geleisteten Arbeit
  • Pferde die sich wohl fühlen und gesund sind
  • Pensionäre die sich wohl fühlen und sich mit ihren Mitpensionären verstehen
  • Feierabend und ein Privatleben

Was sind die Voraussetzungen für Ruhe und Frieden im Stall nebst der Erfüllung der Dienstleistungen rund um die Pferde?

Wo viele Menschen zusammenkommen welche zwar alle dasselbe Hobby haben, aber bei weitem nicht alle dieselbe Auffassung davon haben, entstehen Reibungen. Dass diese nicht zu handfesten Konflikten oder gar Mobbing ausarten, braucht es vernünftige Regeln die für alle gelten.

  • Eine vernünftige Stallordnung die klar und unmissverständlich ist und der Ordnung und dem allgemeinen Stallfrieden dient.
  • Ein gewisses Mass an emotionaler Intelligenz im Umgang mit den Menschen und die Fähigkeit, neue Pensionäre charakterlich einzuschätzen.
  • Führungsqualitäten wenn es darum geht, Leitplanken und Grenzen zu definieren und diese auch durchzusetzen.
  • Gleichberechtigung = kein Pferd, kein Pensionär wird bevorzugt. Auch wenn ein Pensionär gleich drei Pferde einstallt.
  • Eine offene Kommunikation: Wichtige Dinge persönlich ansprechen und nicht gären lassen oder einfach Zuhören, Anliegen entgegen nehmen und darüber nachdenken, wenn man nicht sofort eine Lösung hat.
  • Wahren einer professionellen Distanz.
  • Weiterbildung in Sachen Pferdehaltung und auch ein ehrliches Interesse daran.

Vor einem Vertragsverhältnis ist es sinnvoll diverse Punkte klar abzuklären. Was ist die Betriebsphilosophie? Wie sieht es mit den wichtigen Dingen wie Futter, Rauhfutter, Weidegang, Parasiten-Management, Hygiene, Stallzeiten, Integration neuer Pferde in bestehende Herden bei Offenstallhaltung, Offenstallhaltungskonzept (Stuten/Walache, Herdengrösse, Fütterung, ect.), Einstreu, Parkplätze, Preis, Extras und deren Kosten, Tierarzt, Hufschmied, Decken im Winter und speziell das Um- und Abdecken in der Übergangszeit, Ekzemer, Nutzung der Infrastruktur aus. Von Anfang an sollte klar gestellt werden, dass Mobbing nicht geduldet wird (Stichwort Verhaltenskodex).

Gruppenhaltung – effizienter und kostengünstiger als Boxen, aber mit Konfliktpotential

Gemäss einer Studie von Agroscope («Wie wirtschaftlich ist die Pensionspferdehaltung?» beruhend auf einer Fallanalyse auf der Basis dreier Betriebstypen) ist die Gruppenhaltung ertragreicher. Dies verleitet künftige Stallbetreiber diese Haltungsform anzubieten, was zwar auf den ersten Blick ein positiver Umbruch für die Pferde darstellt, bei näherer Betrachtungsweise aber gewisse Probleme mit sich bringen kann. Eine Gruppenhaltung zu betreiben beginnt mit einer durchdachten Beratung und Planung des Stalls und benötigt Erfahrung mit Pferden. Zu früh integrierte Pferde, oder solche, die nicht in die Gruppe passen, sei es alters- oder ernährungshalber, riskieren Verletzungen oder gesundheitliche Schäden. Wallache die aufsteigen, dauerrossige Stuten, zu dicke oder zu dünne Pferde, Schlafmangel bei rangniedrigen oder ranghohen Tieren, was früher oder später zu Narkolepsie führen kann, sind nur einige Hinweise die es zu erkennen gilt. Eine andere Studie belegt, dass immer öfter auch Pferde aus Gruppenhaltungen an stressbedingten Magengeschwüren leiden. Dass die Zusammensetzung einer Gruppe und vor allem deren Beständigkeit über eine längere Zeitdauer hinweg, wichtige Faktoren für ein möglichst verletzungs- und stressfreies Gruppenleben darstellen, liegt auf der Hand. Häufiger Wechsel in der Gruppe bringt Unruhe und bedeutet Stress. Eine Gruppenhaltung braucht vom Stallbetreiber Pferdewissen, ein gewisses Gespür und Beobachtungsgabe.

Fazit: Für das erfolgreiche Geschäftsmodel «Pferdepension» benötigt es Zuverlässigkeit, Fachwissen, betriebsökonomisches Können, Führungsstärke, viel Pferde- und noch mehr Menschenverstand gepaart mit einem grossen körperlichen Einsatz. Ein Traumjob? Ja, für jene die diese Voraussetzungen mitbringen. Für alle Anderen die mit dem Geld liebäugeln oder romantische Vorstellungen haben, kann ein solches Projekt auch zum Albtraum werden.

Foto: www.shutterstock.com

Erschienen im WESTERNER 11/17 mit positivem Feedback von Lesern.

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