Forschung: Pferde in der Schweiz

Viel Erfreuliches und neue Herausforderungen

In den letzten zwanzig Jahren haben sich die Haltungssysteme für Pferde in der Schweiz massiv verändert: Boxen mit Auslauf und Gruppenhaltung domi- nieren. Letztere hat vor allem in der Deutschschweiz stark zugenommen, weni- ger in der Romandie – so das Fazit einer repräsentativen Studie zur Situation der Pferde, präsentiert an der 13. Jahrestagung des Netzwerks Pferdeforschung Schweiz vom 19. April 2018. An der vom Schweizer Nationalgestüt von Agroscope und Partnern in Avenches organisierten Fachtagung präsentierten rund 30 Forschende ihre jüngsten Resultate der Schweizer Pferdeforschungsgemeinschaft.

Pferde sind soziale Tiere und brauchen viel Bewegung. Entsprechend haben sich die Stallsysteme in den letzten zwanzig Jahren stark verändert: Boxenhaltung hat markant abgenommen und Stallsysteme wie Gruppenhaltung, welche dem Bewegungsbedürfnis entgegenkommen, setzen sich durch. Die Gruppenhaltung führt zu neuen Herausforderungen wie beispielsweise die bedarfsgerechte und ungestörte Fütterung aller Tiere in der Gruppe. Futterdispenser, welche die Futteraufnahme verlangsamen, werden bei einem Drittel der erfassten Equiden eingesetzt. Dies kann ein guter Ansatz sein, um die Pferdefütterung artgerechter zu gestalten, ohne dass die Tiere übergewichtig würden. Allerdings fehlt es noch an Untersuchungen betreffend Langzeiteffekten auf die Gesundheit und das Verhalten.

Nur mässige Nutzung, dafür gebisslos und barhuf

Die gleiche Studie brachte weitere Neuigkeiten ans Licht: Nur knapp die Hälfte der erfassten Equiden wird zum Reiten, Fahren oder für die Zucht genutzt. Offensichtlich werden viele Pferde rein zur Freude und ohne herkömmliche Nutzungsambitionen gehalten. Interessant ist auch, dass 37 Prozent der genutzten Equiden nicht be- schlagen sind. Zudem werden fast 30 Prozent immer oder gelegentlich ohne Gebiss geritten. Diese Ergebnisse weisen auf einen steigenden Bedarf an Wissen für die korrekte Hufpflege von Barhufpferden oder zum gebisslosen Arbeiten mit Pferden hin.

Smarte Daten für Gesundheit, Genetik und Pferdehaltung

Beindruckend ist, wie die Digitalisierung auch in der Pferdeforschung Einzug hält und neue Erkenntnisse hervorbringt. Sie liefert beispielsweise Daten zur Überwachung der Vitalparameter des Pferdes wie Herz, Atmung und Körpertemperatur. Dies wie- derum kann vielfältig genutzt werden, in der Medizin sowie zur Optimierung des Pferdetrainings. Als weiteres Beispiel, liess sich dank GPS-Daten das Sozialverhal- ten von Hengsten in Gruppen analysieren. Zudem brachte ein Vergleich von digitali- sierten Fotografien mit Pedigree-Daten ein neues nützliches Werkzeug hervor, wel- ches zum Monitoring der Diversität in kleinen Populationen lokaler Pferderassen hilf- reich eingesetzt werden kann. 

Das Pferd – ein Spiegel der Gesellschaft

Einmal mehr wurde diese Tagung ihrer Multidisziplinarität gerecht und zeigte ein vielseitiges Bild der gut vernetzten Schweizer Pferdeforschung. Nicoline Schaub ver- deutlichte den Wandel der Zeit zwischen 1916 und 1960 anhand der bekannten Pferdeplakate von Iwan E. Hugentobler, welche über 60 Jahre in den Strassen der Schweiz präsent waren. Ulrich Fritz nahm das Publikum mit in die frühe Neuzeit mit seinem Vortrag «Das Pferd auf der Treppe» und beschrieb, wie sich die gehobene Gesellschaft damals anhand des Pferdes und der Reitkunst präsentierte.

Das Pferd ist etwas Besonderes

Der Tagungsgast Mario Nottaris vom Schweizer Fernsehen berichtete über die ein- zigartige Stellung des Pferdes in unserer Gesellschaft. Seine Erfahrungen bei der letztjährigen Berichterstattung zum Pferdehaltungsskandal im Thurgau waren ein- drücklich. Er ist überzeugt, dass keine andere Tiergattung solch starke Wellen an Emotionen in der Gesellschaft ausgelöst hätte. Aus seiner Sicht sind darum Instituti- onen wie das Schweizer Nationalgestüt als Brückenbauer zwischen der städtischen und der ruralen Welt wichtig, weil sie mit ihren Informationen einen Beitrag leisten, damit diese Welten sich besser verstehen.

Viele der Forschungsarbeiten sind im Schweizer Archiv für Tierheilkunde sowie im Tagungsband Agroscope Science unter www.netzwerkpferdeforschung.ch publiziert.

Beste Forschungsarbeiten prämiert

Das Netzwerk Pferdeforschung Schweiz prämierte auch 2018 die besten
Präsentationen und Poster und zeichnete folgende Forschungsarbeiten aus:

Preis Autoren Titel Institution
Wissenschaftlicher Preis – beste Präsentation Géraldine Pellet Betriebszweig Pferdezucht:
Was kostet es wirklich?
Hochschule für Angewandte Wissenschaften, St. Gallen
Wissenschaftlicher Preis – bestes Poster Annik Gmel Der Freiberger im Wandel der Zeit Agroscope, Schweizer National- gestüt
Wissenschaftlicher Spontanpreis Nicoline Schaub Plakate für den Pferdesport:
Iwan E. Hugentobler (1886- 1972)
Kunsthistorisches Institut, Uni- versität Zürich
Preis Zucht Clara Ackermann Umfrage «Mein Traumpferd» Agroscope, Schweizer National- gestüt
Preis Pferdebranche Marie Pfammatter Linearbeschreibungssystem für die Freiberger Rasse Berner Fachhochschule, Hoch- schule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, Zollikofen
Tierwohl-Preis Sina Huwiler Leistung und Stressbelastung bei drei Maultieren während eines 5-tägigen Treks auf dem Gotthardpass Berner Fachhochschule, Hoch- schule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, Zollikofen

 

Kontakt
Ruedi von Niederhäusern
Leiter, Gruppe Pferdezucht und Haltung Agroscope, Schweizer Nationalgestüt SNG
Les Longs-Prés, 1580 Avenches ruedi.vonniederhaeusern@agroscope.admin.ch 058 482 62 39

Ariane Sotoudeh
Corporate Communication Agroscope
Les Longs-Prés, 1580 Avenches ariane.sotoudeh@agroscope.admin.ch 058 482 61 05
www.agroscope.ch; www.harasnational.ch

 

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